CF: First Post

Endlich war die Vorlesung zuende. Nicht dass Emma absolut nie Lust auf Unterricht hatte, aber manchmal fand sie die ellenlangen Vorträge wirklich etwas ermüdend. Natürlich, wenn es Themen waren die Emma interessierten, dann war sie auch aufmerksam. Zum Beispiel die Bürgerrechtsbewegung oder so etwas. Aber das war eben nicht immer der Fall. Und wenn man so ein spezielles Talent wie Emma hatte, war es auch nicht wirklich nötig sich in Vorlesungen zu konzentrieren. Die nötigen Zusammenfassungen konnte sie sich schließlich direkt aus dem Kopf des Professors holen - oder die Antworten, wenn sie keine Lust zu lernen hatte. Nicht wenige ihrer Mitstudentinnen waren neidisch auf Emma, die als "Hochbegabte" augenscheinlich nie zu lernen brauchte und das war Emma gerade recht. Sie liebte ihre Kräfte und sah es als Verschwendung wenn sie diese eben nicht nutzte. Ob das jetzt fair oder unfair war, war ihr gelinde gesagt sehr egal.
Es gab nicht viele Mutanten an der Uni, wenn man einmal von den Bewohnern des Institutes absah, die hier studierten. Die breite Mehrheit war "normal". Emma bevorzugte das Wort "zurückgeblieben", aber nicht wenige am Institut mochten so eine Denkweise nicht - vor allem Professor Xavier. Daher hielt sie sich dort zurück und erst recht an der Uni. Wahrscheinlich würde man sie von der Uni werfen, es hatte schließlich lange genug gedauert, dass Farbige eine Hochschule besuchen konnten, Mutanten die Gedanken lesen konnten wären den meisten Menschen wohl doch zu viel...

Emma sah vor sich Scott laufen und beschleunigte etwas ihren Schritt um zu ihm aufzuschließen. "Hey, Scott.", begrüßte sie ihn als sie neber ihm ging. "Langweilige Vorlesung, was?" Sie rechnete eigentlich damit, dass Scott ihr widersprach. Er war ja ganz anders als sie. So pflichtbewusst und... "gut". Irgendwie hatte das ja auch etwas nettes, aber das war irgendwie ihr Problem mit Scott. Er war zwar sympathisch, aber zu nett. Der klassische Pfadfinder. Auf Dauer würde Emma wohl ausrasten, wenn sie mit so jemanden zusammen sein müsste.

Oh, er widersprach ihr nicht. Offenbar hatte diese Vorlesung es hinbekommen, dass selbst Scott etwas gelangweilt gewesen war. Zumindest klang er nicht wirklich begeistert. Und dass er am liebsten direkt ins Wochenende gestartet hätte war nur zu verständlich. So ging es Emma nicht nur jeden Freitag, eigentlich ging es ihr so jeden Tag. Die Uni war eben ein notwendiges Übel, Freizeit war doch wesentlich amüsanter. Aber gerade das Wochenende war doch wesentlich reizvoller als sich in einem Hörsaal zu langweilen. Das Nachtleben von New York war wesentlich spannender als der Campus-Alltag. Und in New Yorks Partyszene fühlte sich Emma auch recht wohl, da konnte sie zumindest darüber hinwegsehen unter "Affen" zu sein. Und mit Menschen konnte man durchaus auch seine eigene Art von Spaß haben. Als Telepathin konnte man sich selbst auf der schlechtesten Party irgendwie amüsieren - wenn man eben ein gewisses Faible für die eher böseren Scherze hatte.
Aber wie schon das eine oder andere Mal erwähnt: Wenn man diese Fähigkeiten hatte, musste man sie ja wohl auch nutzen - und wer sagte, dass das immer auf eine bierernste Art und Weise geschehen musste? Und wenn man durch ein paar "Gedanken" oder dem Austausch gewisser Erinnerungen gleich eine Beziehung in Gefahr brachte, dann war es doch damit auch nicht wirklich weit her... Zumindest war das Emmas bescheidene Meinung.
"Und? Hast du irgend etwas besonderes vor? Ich habe gehört, dass in einer verlassenen Werkshalle ne Party steigt. Ziemlich gemischtes Volk soll da sein und ich werde mir das mit Sebastian mal anschauen. Willst du vielleicht auch mit?"
Sie rechnete nicht damit, dass Scott wirklich zusagte. Eher war das eine unverbindliche Nettigkeit. Sebastian wäre nicht wirklich begeistert, wenn sie Scott als Anhängsel dabei hätten... Aber wie gesagt, Scott würde wahrscheinlich sowieso nicht mitwollen und wenn ja würde man das schon irgendwie klären können.

"War nur ein Angebot. Er hätte bestimmt nichts dagegen, aber wenn du nicht willst...", meinte Emma noch. Es schien aber nicht wirklich so als täte es ihr jetzt total Leid, wenn Scott nicht mitkommen konnte. Eher so als würde sie das eben so einfach hinnehmen, als hätte jemand gesagt der Wind würde aus Osten und nicht aus Norden wehen. War halt so, konnte man nicht ändern, gab wesentlich schlimmeres - und wichtigeres. Emma hatte es ja, zumindest aus ihrer Sichtweise, am wenigsten nötig jemanden nachzulaufen. Eher müsste es eigentlich umgekehrt der Fall sein. Aber wie auch immer, man konnte niemanden zu seinem Glück zwingen. Und wahrscheinlich war es auch besser so, denn Sebastian hätte wahrscheinlich doch nicht so wenig dagegen, sondern würde es eher zähneknirschend akzeptieren, dass sie jemanden mitnahm.
"Ein Deutscher mit blauer Haut, der aussieht wie ein Dämon. Das klingt ja ziemlich schrill. Der Arme wird wohl in seinem Heimatland echte Probleme gehabt haben." Das klang tatsächlich etwas mitfühlend. Natürlich war Emma bewusst, dass er auch in den Staaten nicht gut angekommen wäre, aber ihr Bild von Deutschland war auch ein wenig von dem geprägt was sie von Deutschland wusste. Und das war nicht wirklich viel... Und beschränkte sich eher auf das, was sie aus dem Geschichtsunterricht aber auch von Mister Lensherr über das "3. Reich" erfahren hatte. Der Mutant, der in gewisser Weise eine Art Idol oder Vorbild für Emma war, hatte ja wirkliche Schrecken miterleben müssen. So etwas dürfte man keinem Menschen antun und erst recht keinem Mutanten.
"Aber am Institut wird es ihm bestimmt gut gehen. Weißt du schon was er kann? Und ob er überhaupt Englisch spricht?"

Emma nickte als Scott davon erzählte, dass ein Mutant wie Kurt einen dazu brachte darüber nachzudenken, wie gut man es doch hatte. Emma war es bewusst, dass sie Glück gehabt hatte mit ihrer Mutation, überhaupt mit allem. Zumindest was das Äußere anging. Dass auch sie Probleme hatte, davon wusste niemand - und so sollte es auch bleiben. Es passte nicht zu dem Bild was sie nach Außen vertrat und es passte nicht zu der Person, die Emma gerne sein wollte - und meistens auch war. Nur war sie eben doch nicht so kaltherzig, wie es ihr Nachname und ihr Verhalten manchmal nahe legten... Ihr Handicap, um es so zu sagen, hatte sie in Boston zurück gelassen. Natürlich war das etwas, was niemand verstand. Die meisten sahen nur, wie "gut" es Emma ging. Das Geld und der Luxus, aber dass ihre Familie so kaputt war wie sie es eben sein konnte, das sah natürlich niemand. Aber die Frosts waren ja auch allesamt Meister der Schauspielerei...
"Ich wüsste nicht, wie ich das aushalten würde..", sagte Emma leise und es war ein wenig zwiespältig, ob sie jetzt Kurts Aussehen oder Scotts Augen meinte. Vielleicht beides. Aber es klang nicht abfällig, eher irgendwo zwischen Respekt und ein wenig Mitgefühl. Tatsächlich hatte sie Respekt vor Scott und wie er mit dieser Sache umging. Sie stellte es sich schrecklich vor, immer diese Brille tragen zu müssen und nie jemanden in die Augen sehen zu können... Und hin und wieder dachte sie daran, dass es eigentlich sehr schade war, dass sie Scotts Augen nicht sehen konnte. Irgendwie war sie davon überzeugt, dass er wohl schöne Augen haben musste. Aber natürlich behielt sie das für sich.
"Ich würde ja gerne mitfahren, aber Sebastian holt mich ab. Wir wollen noch kurz in der Stadt etwas erledigen. Aber wir sehen uns bestimmt im Institut.", antwortete Emma und lächelte fast ein wenig entschuldigend. "Also, bis dann!, verabschiedete sie sich und ging über den Parkplatz. Sie drehte sich noch einmal um, bevor sie in ein Auto stieg, um Scott kurz zu winken, dann war sie auch schon weg.

TBC: Institut - Küche