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Nanakos Kopf ruckte nach oben und sie blickte mit zusammen gekniffenen Augen aus dem Fenster. Von ihrer Position aus konnte sie natürlich nicht viel mehr als den hellen Himmel erkennen, so daß sie sich vom Boden erhob, auf dem sie eben noch gesessen hatte und das Buch in ihren Fingern achtlos auf selbigen fallen ließ. Die Strickjacke, die sie lose um die Schultern gelegt hatte, fester um den schmalen Körper ziehend trat sie ans Fenster und versuchte den Grund für ihre Unruhe zu finden. Ausser Schnee, Bäumen und ein paar Spuren von kleinen Tieren war natürlich nichts zu sehen - wie immer. Dennoch war die junge Frau überzeugt davon, daß es Zeiten gab, an denen sie hier oben nicht allein war, ganz egal, wie einsam es auch sein mochte. Oft glaubte sie Schatten hinter den Tannen zu entdecken, Gestalten die sich bewegten und sie beobachteten. Vielleicht hatte sie nicht einmal ganz. Zumindest glaubte sie nicht an seltsame Begegnungen der dritten Art sondern hatte viel mehr ihren Vater in Verdacht sie aus zuspionieren. Natürlich nicht persönlich. Das hatte er zum einen nicht nötig und zum anderen hielt sich Mashito wann immer er konnte von seiner aufsässigen Tochter fern, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Seine Geduld mit ihr hatte ihr Ende nun endgütlig in Nanakos "Verbannung" gefunden, auch wenn diese der Meinung war, ihr Vater habe weder Geduld, noch Interesse oder sonst irgend etwas positives für sie aufgebracht.
Egal, es war wie es war und sie hatte sich schon unwohler gefühlt, als hier im Nirgendwo von Canada. Und eines Tages würde sie auch jemanden vor ihrem Fenster sehen und das Schrotgewehr ausprobieren, das über dem Kamin der Blockhütte hing. Sie hatte keine Ahnung ob es überhaupt geladen oder funktionsfähig war, fand aber, wenn sie irgendwen erwischte, der für ihren Vater arbeitete, wäre das ein guter Moment es heraus zufinden.
Das Haus in dem sie nun lebte, beherbergte so einige Gegenstände, über deren Funktion sie sich noch nicht ganz im klaren war und solche, die nicht wirklich hier her gehörten. Vor ihrem Bezug hatte sie es nie gesehen und beim ersten Rundgang fest gestellt, daß es eigentlich nur einen großen Raum gab, der von einem riesigen Kamin beherrscht wurde, und auf dessen linker Seite sich eine offene Küchenzeile befand. Eine erstaunlich ausladende Treppe führte in den ersten Stock, wo sich jedoch nur ein Schlafzimmer und das Bad befanden. Nanako nutzte den Raum dort oben nie. Sie hatte ihn nur einmal angesehen und obwohl sich ein Bett und Nachtisch und was man sonst an Schlafzimmereinrichtung erwarten konnte, darin befanden, hatte sie es vorgezogen, ein ausklappbares Sofa in den unteren Raum zu stellen, das ausserdem ihr Klavier beherbergte so wie eine ganze Ansammlung von Dingen die schon hier gewesen waren und solchen, die sie mit gebracht hatte. Die ursprüngliche Einrichtung war im besten Fall als rustikal zu bezeichnen. Es gab das Schrotgewehr über dem Kamin, mit kariertem Stoff bezogene Sessel und einen abscheulichen Elchkopf, der wahrscheinlich mehr Getier beherbergte als jedes Hundefell. Was vielleicht allein für sich betrachtet, wirklich einen gewissen rustikalen, ländlichen Charme gehabt hätte, wurde durch das zerstört, was Nanako angeschleppt hatte. Unzählige Bücher, Notenblätter und Kleidungsstücke lagen auf dem Boden verstreut. An den Wänden hingen nun neben Elchkopf und Landschaftsbildern Samuraischwerter (ein Erbstück ihres Großvaters, den Nanako nie kennen gelernt hatte, womit er ihr irgendwie das sympathischste Mitglied ihrer Familie war), Tuschmalereien und von der Decke baumelten japanische Papierlampen. Räucherstäbchen vor einem kleinen, aufklappbaren Altar verbreiteten einen süßlichen Geruch und ein Besucher hätte sicher nicht recht gewußt, wohin er zuerst schauen sollte, oder was von einer Person zu halten war, die in einem solchen Chaos aus unzusammen passenden Dingen lebte.
Nanako selbst schien sich damit durchaus wohl zu fühlen und sie wußte auch genau, welches Buch wo am Boden herum lag und mußte nur sehr selten wirklich etwas suchen. Das sie es schaffte, hier einen Überblick zu behalten grenzte an ein Wunder, eben so wie die Tatsache, daß sich selbst unter den Möbel kein Staubkörnchen finden ließ - das Besteck in der Spüle glänzte auf Hochglanz und auch die Fenster sahen aus, als würden sie mehr als regelmäßig gereinigt werden.
Den Blick endlich vom Fenster los reissend warf sie auf ihrem Weg zur Küche einen frischen Holzscheit in den Kamin und stellte wenig begeistert fest, daß sie nach draussen würde gehen müssen um Holz zu hacken. Eigentlich neben dem Gefühl beobachtet zu werden, das Einzige, was sie hier oben wirklich störte. Sie hasste Holzhacken und wenn ihr Vater schon für ihre Versorgung aufkam, wieso konnte er dann nicht jemanden zu ihr schicken, der diese Arbeit für sie übernahm? Sie beschloss ihn dannach zu fragen, wenn sie das nächste Mal mit ihm sprach. Nicht, das sie das oft, oder freiwillig oder gerne tat. Ihre Gespräche beschränkten sich auf das absolute Minimum und im Grunde waren es auch eher Kontrollanrufe seinerseits, mit denen er sicher gehen wollte, daß sie noch hier war und keinen Unsinn machte. Eigentlich seltsam. Der alte Herr schien nachlässig zu werden. Es war... Nanako überlegt kurz. Neun oder zehn Tage sicher her, das sie das letzte Mal etwas von ihm gehört hatte. Nicht, daß sie böse darum gewesen wäre. Aber irgendwie hatte es einen schlechten Beigeschmack, wenn man bedachte, wie pedantisch ihr Erzeuger sonst in allem war, was er tat.

cf: Alkali Lake (eine Woche nach den noch auszuspielenden Ereignissen)
Es war später Nachmittag irgendeines Novembertages.
Dichtes Schneetreiben verringerte die Sicht selbst für einen Mutanten mit gesteigertem Sehvermögen auf das Maximum von ein paar Metern. Doch der konstante Schneefall, den ein eisiger Nordwind begleitete, kam Wolverine gut zu pass. So musste er sich keine Gedanken über allfällige Spuren machen und war nicht an den Schutz der Wälder gebunden. Seine Fußstapfen im Schnee waren schneller verschwunden als sie entstanden.
Daran dass er gesucht wurde, bestand kein Zweifel. Aber nicht bei Wetterverhältnissen wie diesen. Menschen mit ihren Waffen hatten Limits, während er die harte Witterung locker wegsteckte.
Es gab Momente, da wünschte er sich regelrecht, dass sie ihn irgendwie fanden, denn er würde sie genauso fertig machen, wie die in der Forschungsstation oder was auch immer das Ding gewesen war. Hundert, zweihundert ... egal wieviele sich ihm da in den Weg gestellt hatten. Er hatte nicht darauf geachtet. Die Klingen, die aus seinen Händen kamen, gingen ohne den geringsten Widerstand durch Fleisch und Knochen und er hatte das Gefühl gehabt, dass mit jeder neuen Fontäne von Blut und jedem Schrei seiner Peiniger, der Schmerz in seinem Innern etwas nachließ.
'Erwies sich im Nachhinein leider als Illusion. Das Stechen und Brennen, das sich von seinem Schädel bis in die Zehenspitzen durch den ganzen Körper zog, war zurückgekehrt, als seine Aggression etwas abebbte und er zum ersten Mal seit irgendwann wieder klare Gedanken fassen konnte.
Er hatte nicht die geringste Ahnung, wer er war, wo er war und schon gar nicht warum. Aber dafür wusste er verdammt gut, was er drauf hatte. War vielleicht normal, dass man Lücken mit dem nächsten, was greifbar war, auszugleichen versuchte.
Trotzdem blieb er stehen und starrte auf die eigenen Fäuste. Nichts daran verriet, dass er 30 Zentimeter lange Messer in den Unterarmen mit sich trug. Nichts außer das Gewicht, das sich so falsch anfühlte, dass er sich zumindest in einem Punkt sicher war: Die waren nicht schon immer da gewesen. Nicht in der Form zumindest. War ja auch klar, dass die Natur sowas nicht hervorbringen konnte. Aber egal wie krampfhaft er versuchte, sich zu erinnern, wie sie dort hingekommen waren, da war nichts.
Die früheste Erinnerung, die er besaß, war ein Kampf gegen eine rasende Bestie. Er hatte nicht kämpfen wollen aus irgendeinem Grund. Hatte lieber sterben wollen, aber als er angegriffenen wurde, waren seine Instinkte und sein Selbsterhaltungstrieb in den Vordergrund getreten. Er war nicht in der Lage gewesen, sich selbst zu bremsen, obwohl er hinter der Bestie ein mindestens genauso missbrauchtes Wesen wie sich selbst vermutet hatte. So befriedigend es war, einen Feind aufzuschlitzen, so deprimierend war es, wenn Unschuldige dran glauben mussten.
Dann jedenfalls kam wieder Schwärze und schließlich eine gewaltige Explosion, die zum Ausfall einer Maschine geführt hatte, deren Elektroden mit seinen Augen verbunden gewesen waren. Erst ab dem Moment, wo er sich diese Dinger herausgerissen hatte, hatte er gar keine Aussetzer mehr.
Und dann war alles sehr schnell gegangen ...
Er schüttelte den Kopf und setzte seinen Weg durch den Schnee fort.
Die Sonne sank derweil tiefer und tiefer. Wurde Zeit bevor sie am Horizont verschwinden würde, einen Platz für sein Nachtlager zu suchen. Er entschied sich für eine nahe Baumgruppe und änderte die Laufrichtung. In dem Augenblick, wo er sich umdrehte, fiel ihm jedoch der Geruch nach verbranntem Holz auf. Er starrte in die Richtung, aus der der Geruch kam und erreichte recht schnell eine kleine Anhöhe, von der aus er ein Haus in einiger Entfernung sah. Wie auf Bestellung, hörte es in der Minute auf zu schneien.
Vor dem Haus stand ein Armyjeep, dessen Räder zu tief im Schnee steckten als dass er in der letzten Zeit bewegt worden wäre und hinter den Fenstern brannte Licht.
Logan verzog das Gesicht. Die Jungs würden jetzt ne kleine Überraschung erleben. Er ließ das Gepäck, das er vom Alkali Lake mitgenommen hatte, auf der Anhöhe zurück. Im wesentlichen ein Zelt und nützliches wie ein Feldstecher und ein Gasbrenner. Im übrigen war auch seine Kleidung von dort. Eine Uniform im typischen grün und darüber ein schwerer Parker.
Mit einem Satz sprang er 20 Meter in die Tiefe und landete unversehrt unweit des vermeintlichen Militärpostens im tiefen, weichen Schnee. Das würde man drinnen vermutlich gehört haben. Er machte sich nicht die geringste Mühe, sich anzuschleichen, sondern ging geradewegs auf die Haustür zu.
Die würden besser wissen, wer er war, als er es selbst wusste. Ein dunkler Schatten huschte über sein Gesicht. Diesmal würde er sich vielleicht die Zeit nehmen, Fragen zu stellen.

Nicht zum ersten Mal heute schreckte Nanako plötzlich hoch und hatte sich sichtlich erschreckt. Himmel, Mädchen, scheinbar bekommt dir die Einsamkeit hier draussen auf Dauer doch nicht, schoss es ihr durch den Kopf, ehe ihr klar wurde, warum sie so zusammen gefahren war. Es war ein dumpfes Geräusch gewesen, so als würde etwas auf dem Boden aufschlagen. Eigentlich war das nichts, was sie hätte beunruhigen müssen - es schneite und nicht selten fiel ein ganzer Batzen der weißen Masse laut vernehmlich herunter. Trotzdem... irgendwie klang das anders und Nanakos Nerven, die den ganzen Tag über schon nicht die besten gewesen waren, schlugen erneut Alarm. Einen Moment lang zwang sie sich noch dazu, so zu tun als wenn nichts wäre, aber schließlich hielt es sie nicht mehr und sie eilte aus der Küche hinaus zur Vorderseite des Hauses. Das es absolut bescheuert war sich wie ein aufgescheuchtes Huhn zu verhalten war ihr selbst klar, aber irgendwie konnte sie nicht anders. Zwar war sie ziemlich sicher, daß sie genau das sehen würde, was sie erwartete - nämlich rein gar nichts, aber dann wäre sie zumindest beruhigt und könnte sich auf etwas anderes konzentrieren.
Die zunehmende Dunkelheit verhinderte, daß sie auf den ersten Blick aus dem Fenster etwas erkennen konnte, aber sie glaubte, eine Bewegung wahr zu nehmen. Viel mehr zu spüren, als daß sie sie wirklich gesehen hätte und ein wenig nervös dachte sie kurz darüber nach die Tür zu verriegeln, verwarf den Gedanken aber so rasch wie er gekommen war wieder. Das hier war verdammt noch mal ihr Haus und es stand mitten im Nirgendwo, wer sollte hier bei dem Wetter und um diese Zeit schon herum laufen? Ja gut, vielleicht die Wachhunde ihres Vaters, aber die würden sich ihr kaum nähern, da war sie sich ziemlich sicher. Zwar liebte ihr Vater sie nicht sonderlich, würde aber sollte sich jemand an seiner Tochter vergreifen kaum zögern demjenigen das Leben zur Hölle zur machen - oder es zu beenden. Und jeder der für ihn arbeitete wäre sich dessen sicher überdeutlich bewußt. Rein logisch betrachtet gab es also gar keinen Grund so nervös zu sein und sie hatte ja nicht einmal den Beweis dafür, daß hier jemand rumstreunte.
Sich selbst zur Ordnung rufend und als ängstliches Mädchen schimpfend riss sie die Tür mit einem Ruck auf ohne weiter darüber nach zudenken..... Ok, da war ihr Beweis und er hielt zielstrebig auf sie zu. Nanakos erster Impuls war die Tür doch wieder zu zuschlagen und zu verriegeln, als .. zu spät. Er mußte sie gesehen haben, es fiel ohne hin Licht nach draussen und irgendwie bezweifelte sie, daß eine einfache Holztür wirklich jemanden aufhalten würde. Trotzdem fühlte sie sich zumindest ein kleines Stück weit befriedigt. Sie drehte nicht durch und wurde paranoid. Das waren gute Nachrichten. Und sie hatte mit ihrer Vermutung, ihr Vater ließe sie beobachten offenbar auch völlig recht gehabt. Aber irgendwie.. der Kerl hatte etwas an sich, das sie automatisch einen Schritt zurück weichen ließ. Was es war, hätte sie nicht sagen können, sie erkannte nicht einmal sein Gesicht, dazu war es zu dunkel, aber die Art wie er sich bewegte hatte etwas drohendes an sich und sie, ja was hatte sie eigentlich? Angst? Nanako war eigentlich kein ängstlicher Mensch und normalerweise niemand der schnell nervös wurde. Sie wußte sich durchaus zu wehren, auch gegen einen Mann, aber sie mußte sich eingestehen, daß dieser Fremde da sie zutiefst beunruhigte. Bevor er sie erreichen konnte, beäugte sie ihn etwas genauer - Armyparker, darunter offenbar eine Uniform. Also doch jemand, der etwas mit ihr zu tun hatte. Oder liefen Ranger auch so rum? Nanako wußte es nicht, konnte sich aber auch nicht vorstellen, daß irgend jemand hier zu Fuß unterwegs war. Nicht bei den Temperaturen und kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Wobei, vielleicht war ja genau das der Grund seines Auftauchens. Eine Reifenpanne oder so was. Vielleicht hatte er von weiter unten das Licht gesehen und war ihm gefolgt und wollte nichts weiter als kurz telefonieren. Diese Erklärung erschien ihr immer noch am wahrscheinlichsten und sie drehte halb den hübschen Kopf und schielte zu der Schrotflinte überm Kamin. Ok, was immer er wollte, mit wenigen Schritten wäre sie dort. Und sie war flink. Sicherlich schneller als der Kerl da. Also kein Grund aus zuflippen.
"Kann ich dir irgendwie helfen?"
rief sie ihm schließlich entgegen, wobei sie es schaffte nicht so beunruhigt zu klingen wie sie eigentlich war, sondern eher ... unfreundlich. Und nicht sonderlich begeistert über den unvermuteten Besuch. Die Tür weiter zu schiebend, zum einen damit die Kälte nicht so herein kam und zum anderen um den Fremden möglichst draussen zu halten, wartete sie unruhig auf eine Erwiederung, die ihre Autopannentheorie bestätigen würde.

Logan hörte die Schritte hinter der Tür bevor Nanako sie aufriss. Leichte Schritte, die einer einzelnen Frau. Hatte allerdings wenig zu bedeuten. Er hatte mehr als nur eine Frau in Strykers Basis getötet. Ob sie zu seinem militärischen Personal, seinem wissenschaftlichen Stab oder zur Putzequipe gehörten, spielte für Wolverine keine Rolle.
Jeder Mensch war sein Feind und jeder, hier in der Nähe, war ein Mitwisser, sonst hätte Stryker schon selbst dafür gesorgt, dass es keine Zeugen gibt.
Im selben Moment, in dem sich die Tür öffnete, fuhr Logan seine Klauen aus. Es war ein Reflex, keine Absicht. Der stechende Schmerz als das Metall das Fleisch und die Haut seines Handrückens durchschnitt, machte ihm den Vorgang jedoch sehr schnell, verdammt bewusst.
Er rümpfte die Nase wegen des Geruchs seines eigenen Blutes und kniff die Augen etwas zusammen, weil der Anblick der roten Tropfen im Schnee, so falsch wirkte wie nur irgend möglich.
Natürlich waren es nur Sekunden, die die frisch entstandenen Wunden bluteten und genauso schnell war auch der Schmerz weg.
Somit konnte Logan sich nun vollends auf die junge Lady konzentrieren, die es wohl etwas schwerer hatte in der Dunkelheit zu erkennen, was für eine Gefahr auf sie zukam, während er sie sehr klar und deutlich sehen und abschätzen konnte.
Hübsche, zierliche Gestalt. Wirklich allein, denn der Geruch, der von drinnen kam, war einzig der, des Mädchens in der Tür. War vermutlich ne Mutantin, die mit sonstwas für Überraschungen aufwarten konnte, aber das würde ihr letztlich so wenig helfen wie ihren Kollegen zuvor.
Ihre abweisende Stimme und der Rhythmus ihres Herzschlages waren jedenfalls schonmal ziemlich verräterisch in ihrer Unstimmigkeit.
Als sie die Tür wieder ein bisschen weiter zuschob, hob er nicht nur eine Augenbraue, sondern auch die Klauen um ihr ohne Worte klarzumachen, dass die Tür nicht das geringste Hindernis für ihn darstellte und dass er nicht für eine Tasse Tee vorbei gekommen war.
Mir helfen, huh? Ging er trotzdem auf ihre Worte ein.
Könntest damit anfangen, mir zu sagen, was für nen Tag wir haben …
Er hatte die Tür erreicht, weil er bei all dem seinen Schritt wirklich nicht verlangsamt hatte. Nun reichte der Abstand für einen Tritt gegen das massive Holz, der kräftig genug war, dem Mädchen die Klinke aus der Hand zu stoßen und zu Logans eigener Irritation sogar fast gereicht hätte, die komplette Tür aus den Angeln zu brechen.

Nanako starrte den Mann vor sich sekundenlang nur an und sah dabei so überrascht und mit der Situation überfordert aus, das jeder andere wahrscheinlich Mitleid mit ihr gehabt hätte. Dabei galt ihr Blick nicht wirklich ihm als Person, sondern viel mehr den Dingern die da aus seinem Handrücken kamen. Was zur Hölle war der Kerl, der Sensenmann, dem sein Arbeitsgerät über der Schulter tragen nicht mehr cool genug war? Wahrscheinlich irgend so ein durchgedrehtes Militärexperiment. Nanako hatte nur sehr wenig Ahnung von der Arbeit ihres Vaters, aber das die Army immer wieder an armen Idioten experimentierte in dem sie ihnen Drogencocktails verabreichte war nun kein wirkliches Geheimnis. Wie recht sie damit eigenltich hatte, wenn es auch nicht ganz den Kern der Sache traf, ahnte sie nicht einmal, aber an einen Mutanten dachte sie als sie Logan sah am allerwenigsten. Zwar redete man über diese Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten, aber Fleischermesser im Unterarm, dazu noch offensichtlich aus Metall hörte sich für Nanako, die im Biounterricht nicht schlechter gewesen war als in anderen Fächern nicht nach einer Mutation an. Was immer es da draussen auch war... sie hatte nicht die geringste Lust ihm in irgendeiner Weise näher zu kommen oder sich mit ihm auseinander zu setzen. Scheinbar sah er das aber ganz anders und wärend sie noch den Mund aufklappte - idiotischerweise setzte sie ganz automatischer zu einer Erklärung an, welcher Tag heute war, fühlte sie den Türgriff mit solcher Wucht aus ihrer Hand geschlagen, oder viel mehr getreten, daß sie zurück stolperte und fast über ihre eigenen Füße gefallen wäre. Sie fing sich sehr schnell wieder und auch wenn die Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war, fing sie weder an zu weinen, noch versuchte sie irgendwie mit ihm zu verhandeln oder ähnliches.
Neben Angst und Verwirrung meldete sich noch ein ganz anderes Gefühl in Nanako, von dem sie nicht wußte, ob sie es begrüßen sollte oder nicht. Aber sie wurde wütend. Was zur Hölle bildete der Kerl sich ein, hier in ihr Haus zu spazieren und sich auf zuführen wie .. wie irgendwas wildgewordenes eben. Ohne weiter darüber nach zudenken fuhr sie ohne Vorwarnung auf dem Absatz herum und spurtete durch das große Zimmer, hielt jedoch nicht auf den Kamin zu, wie sie es sich eigenltich für solche Situationen vorgenommen hatte, sondern erreichte die gegenüberliegende Wand und riss eines der Schwerter aus ihrer Halterung, ohne darauf zu achten, daß diese gleich mit von der Wand fiel. Und sie war verdammt schnell. Das Risiko daß die alterschwache Schrotflinte tatsächlich nicht funktionierte war ihr angesichts des Messermannes irgendwie zu hoch, aber mit einem Schwert wußte sie um zugehen. Man sah es ihren Bewegungen an, als sie es mit der linken aus der Scheide zog und auf Logan richtete. Es lag ruhig in ihrer Hand und sie machte nicht den Fehler, die Finger zu fest darum zu schliessen und sich zu verkrampfen. Nicht, daß sie entspannt gewesen wäre, ihr Herz raste, ihre Gedanken überschlugen sich und sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie tun sollte. Was wenn der Typ einfach auf sie zuhielt und sich einen Scheiss um Schneidewerkzeuge kümmerte? Offenbar war er damit ja recht vertraut. Nanako hatte noch nie jemanden ernsthaft verletzt und konnte beim besten Willen nicht abschätzen, ob sie dazu überhaupt in der Lage sein würde. Und ganz ehrlich wollte sie eine solche Erfahrung auch gar nicht machen. Sie wollte nicht mal hier in dieser Situation sein. Kurz erlaubte sie sich den Luxus die Augen fest zu schliessen. Als sie sie wieder öffente war Logan immer noch in der Tür. Scheisse. Aber hätte ja klappen können.
"Verpiss dich aus meinem Haus!"
erklärte sie sehr langsam und sehr deutlich. Keine Frage dannach, was er hier wollte, keine Erklärung, daß sie keine wirklichen Wertgegenstände besaß und auch sonst nichts. Sie wollte gar nicht wissen, wer der Typ war oder was er wollte. Sie wollte einfach nur, daß er dahin verschwand wo er her gekommen war, völlig gleich, welche Freakshow das auch sein mochte. Und es interessierte sie ebenfalls nicht, warum er Messer, Krallen, Klauen oder was auch immer das war in den Armen hatte. Abwartend betrachtete sie ihn, die Spitze des Erbstückes, das den Eindruck machte, als wäre es zwar alt, aber nicht stumpf auf sein Gesicht gerichtet und versuchte ihre Atmung zu kontrollieren und nicht kopflos und panisch zu werden.

Ungerührt sah Logan wie sie stolperte und hielt kurzfristig für möglich, dass sie rücklings zu Boden gehen würde. Die Behendigkeit und das Tempo mit dem sie ihr Gleichgewicht wieder fand, verrieten jedoch, dass sie zumindest in irgendeiner Form trainiert sein musste.
Dazu passte ebenfalls, dass sie zu einem Spurt in die Gegenrichtung ansetzte und eines von zwei Schwertern von der Wand riss. Ihre schnellen Bewegungen lösten in ihm den Reiz aus, mit einem Satz zu folgen. Er hätte sie zweifellos erwischen können, bevor sie die Wand mit den Schwerten überhaupt erreicht hatte, aber etwas hielt ihn davon ab:
Sie war kreidebleich geworden und zeigte deutliche Anzeichen von Panik. Kein Angriff, keine Drohungen, nichteinmal der Versuch, ein Funkgerät zu erreichen und Hilfe zu rufen.
Statt dessen dieses Samuraischwert, dass sie mit einer Hand hielt und die Klinge auf seinen Kopf richtete. Eine reine Verteidigungsgeste. Allen voran eine, die den Anschein erweckte, dass sie keine Ahnung hatte, wie wenig ihr die Waffe nützen konnte. 'Waren wohl doch keine Überraschungen von ihr zu erwarten. Das war aller spätestens klar, als sie die Augen zukniff, als könnte sie damit ihr Schicksal ausblenden.
Konnte sie nicht.
Nachdem er in der Tür stehen geblieben war und ihren Zug abgewartet hatte, ging er, als sie ihm sagte, dass er sich verpissen sollte, geradewegs wieder auf sie los und schlug ihr das Schwert mit einem schnellen Schlag seiner rechten Klauen aus der Hand.
Klirrend kollidierte es mit dem Kaminsims und fiel dann einige Meter von Nanako entfernt auf den Boden.
Gleichzeitig verschwanden auch Logans Klingen wieder, denn sonst hätte er Nanako nicht mit einer Hand am Hals packen können und rückwärts gegen die Wand drängen. Sein Griff war nicht so hart, dass er ihr damit die Kehle zugedrückt hätte, aber er war hart genug, keinen Widerstand zuzulassen. Mal ganz abgesehen davon, dass ihr klar sein musste, dass wenn er seine Krallen jetzt wieder ausfuhr, diese sauber durch ihren Hals hindurch bis an die Wand reichen würden.
Falsche Antwort knurrte er sie an und näherte sich mit seinem Gesicht ihrem um ihr aus nächster Nähe in die Augen zu sehen.
Wie das hier ausgeht, hängt von dir ab, Mädchen. Ich kann dich beim kleinen Zeh angefangen, in Scheiben schneiden oder ... Ein eisiger Windhauch kam von draußen durch die offene Tür, heulte laut im Abzug des Kamins und ließ alles, was nicht schwer genug war, flattern und schaukeln.
Allen voran die leichten Deckenlampen, was der Szenerie ein gespenstisches Licht gab.
Oder wir können reden.
Damit ließ Logan sie los, drehte sich um und ging zur Tür zurück. Er warf einen Blick nach draußen, wo weit und breit nichts als weiße Winterlandschaft zu sehen war. Der Schneefall hatte wieder eingesetzt. Durch den böigen Wind flogen die Flocken fast waagerecht. Er konnte nicht anders als ein paar Blicke lang, die Schönheit der Natur bewundern, dann trat er hinaus, ging auf den Jeep zu und schlitzte der Länge nach beide Hinterreifen auf.
Nach einem prüfenden Blick zur Anhöhe und einem Wittern in die Dunkelheit, kehrte er in das Haus zurück und knallte hinter sich die Tür zu.

Nanakos Augen waren starr auf den fremden Mann gerichtet und obwohl sie die Bewegung kommen sah, war sie einfach zu langsam. Sie versuchte noch, ihm aus zuweichen, spürte aber im selben Moment, wie ihr das Schwert aus der Hand geschlagen wurde. Was zur Hölle war der Kerl, wieso war er so verdammt schnell? Er sah nicht unbedingt aus wie jemand, der sich mit katzenartigen Reflexen bewegte und Nanako war nun alles andere als ein langsamer Trampel, aber troztdem.... Fassungslos blickte sie ihrem Schwert hinter her und fühlte sich am Hals gepack. Automatisch begann sie krampfhaft zu schlucken und versuchte sich ihre Luft ein zuteilen. Aber sie konnte atmen. Gut, er hielt sie fest und würde wahrscheinlich unschöne Abdrücke auf ihrem Hals hinterlassen, aber er schnürte ihr nicht die komplette Luftzufuhr ab. Das war gut. Glaubte sie zumindest. Wenigstens nahm es ihr etwas von der aufsteigenden Panik und wärend sich ihre Hände um sein Handgelenk schlossen, so als könne das irgendwie verhindern, das er fester zudrückte, versuchte sie irgendwie einen Blick auf seine Hände zu erhaschen. Am meisten fürchtete sie sich vor diesen metallischen Klauen und davor, daß er sie nicht richtig unter Kontrolle hatte. Was, wenn er die Dinger einfach ausfuhr und durch ihren Hals und das halbe Gesicht bohrte. Wirrerweise war ihre eigentliche Angst nicht die, dabei zu sterben, sondern viel mehr hinter her aus zusehen, als hätte sie neben einer Splittergranate gestanden.
Falsche Antwort? Wieso falsche Antwort, was zur Hölle hatte er denn hören wollen? Komm rein, setz dich, ich mach uns Tee? Was erwartet jemand, der sich mit Gewalt Zutritt in ein Haus verschafft von dessen Bewohner? Einen roten Teppich? Der Typ war total irre und Nanako hatte immer noch nicht die leiseste Idee, was er überhaupt von ihr wollte. Reden. Offenbar. Über was?
So überraschend wie sie sich gepackt gefühlt hatte, lies er sie jetzt los, so das die junge Frau erneut zu fallen drohte und überhaupt nicht wußte, was sie tun sollte. Ihr erster Impuls war, sich einfach auf dem Boden zusammen zu kauern und zu warten, bis es vorbei oder er weg war oder irgend jemand kam um sie zu retten. Da selbst ihr diese Lösung unwahrscheinlich schien, stützte sie sich an der Wand ab um sich auf zurichten und betastete vorsichtig ihren Hals mit der freien Hand. Er tat ein bißchen weh, aber sonst schien alles unversehrt. Ihr Blick fiel auf das Schwert, aber auch das war idiotisch. Wahrscheinlich war er in der kurzen Zeit nicht wesentlich langsamer geworden und irgend etwas sagte ihr, daß es besser für sie wäre, Logan nicht unnötig zu verärgern. Bis er... was trieb der Kerl da?
Nanako folgte ihm so weit durch den Raum, bis sie sein Treiben beobachten konnte und schnappte hörbar nach Luft. Das war ihr Auto. Ihrs verdammt, genau so, wie das hier ihr Haus war, was zur Hölle bildete der Kerl sich eigentlich ein?!
"Bist du irre?"
fauchte sie, noch bevor er das Haus wieder betreten hatte und klang dabei eben so heiser, wie ängstlich, verwirrt und wütend. n
"Das ist mein Auto verdammt und das hier ist mein Haus, wenn du mit Leuten reden willst, solltest du freundlich an ihre Tür klopfen und nicht ihr Eigentum beschädigen!"
Als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, fuhr sie zusammen und bereute ihren Ausbruch scheinbar ein wenig, denn sie wich vorsichtshalber wieder zurück an die Wand um möglichst viel Abstand zwischen sich und den Fremden zu bringen.
"Was willst du hier ?"
fügte sie weitaus leiser hinzu und beobachtete ihn aus geweihteten Augen und mit immer noch wild schlagendem Herzen. Ihre Haare fielen ihr wirr in das blasse Gesicht und auf ihrem Hals zeichneten sich deutliche rote Fingerabdrücke ab. Trotzdem schien sie... beruhigt, war bei weitem übertrieben, aber nicht mehr so panisch wie vor wenigen Minuten. Ok, wenn er reden wollte, verschaffte ihr das zumindest Zeit. Sie würde sich etwas ausdenken können, ihn ablenken oder hin halten, vielleicht irgendwie Hilfe holen, keine Ahnung, irgendwas. Aber es verschaffte ihr zumindest Zeit.

Natürlich hatte Logan die Proteste seiner unfreiwilligen Gastgeberin gehört, aber er scherte sich nicht darum. Er hatte in den letzten Tagen genug böse Überraschungen erlebt und sorgte deswegen vor, falls sie es durch nen dummen Zufall in den Wagen geschafft hätte.
Jemanden aufzuschlitzen war deutlich einfacher als mit jemandem zu reden, der ahnte, dass man ihn danach aufschlitzen würde.
Stünde der Armyjeep nicht vor ihrer Tür, hätte er aus ihrem Verhalten unter Umständen geschlossen, dass sie wirklich nur aus einen Zufall heraus hier wohnte und nichts mit Stryker und seinen Leuten am Hut hatte.
Aber der Jeep stand hier und damit war ihr Schicksal besiegelt. Mitleid konnte er sich nicht leisten und hatten die mit ihm genauso wenig gehabt. Mit der Erinnerung an seine eigene Hilflosigkeit, kehrte auch die Wut zurück, die zugegebenermaßen kurz abgeebbt war, weil die Kleine so tapfer und unschuldig zugleich wirkte.
Wieder im Haus, blieb er in der Zimmermitte stehen und verschränkte die Arme vor der Brust als das Mädchen von sich aus wieder an die Stelle zurückwich, an die er sie eben noch gezwungen hatte. Es war das erste Mal, dass er sie eingehender musterte. Seine Aufmerksamkeit galt nicht mehr dem, was sie tat, sondern einzig und allein ihrem Aussehen, ihrem Geruch und der Überlegung, ob er sie in den wenigen Tagen, die ihm bewusst waren, gesehen hatte oder diesen Geruch bemerkt.
Aber da war nichts. Ein paar Japaner waren im Forscherteam gewesen, die waren ihm aufgefallen, aber ein Mädel war nicht darunter.
Ich will reden, hab' ich doch gesagt, knurrte er weiterhin denkbar unfreundlich.
Das beschissene Datum … ?
Wo wir hier sind ...
Was das für'n Stützpunkt ist … 80 km oder sowas nach Westen.
Sein Blick durchbohrte sie geradezu. Konzentriert auf ihre Reaktion, wartete er. Ein nützlicher Nebeneffekt seiner hochentwickelten Sinne, war das man ihm keine Märchen erzählen konnte ohne dass er es merkte. Integrierter Lügendetektor, wenn man es so nennen wollte. Dass sie sich langsam etwas zu fangen schien, war ihm nur zu recht. Machte es leichter.
Allerdings störte ihn mit einem Mal die Hitze im Raum. Nicht dass es wirklich warm wäre, aber er war Tage lang in der eisigen Kälte unterwegs gewesen und der Kontrast war ziemlich groß. Allem voran hatte er das Gefühl, dass durch die Temperatur die Schmerzen in seinem Körper stärker wurden. Er öffnete deswegen den Parker, zog ihn aus und warf ihn auf das Sofa. Darunter kam eine Uniform bestehend aus der üblichen olivgrünen Hose und einem gleichfarbigen Muscleshirt zum Vorschein.
Logans Abstand zu ihr blieb dabei unverändert.

Die Augen der jungen Japanerin waren zu Schlitzen geworden und böse starrte sie den fremden Mann in ihrem Wohnzimmer an. Offensichtlich war sie es nicht gewöhnt, daß man sie nicht beachtete und ignorierte. Das war irgendwie noch schlimmer, als wenn er versucht hätte, ihr etwas an zutun. Als er erneut nach dem Datum fragte, kam sie sich regelrecht verarscht vor. Der Typ kam hier angerauscht, demolierte fast ihre Tür, ruinierte ihren Wagen um sie dann nach dem scheiss Datum zu fragen? Das konnte unmöglich sein Ernst sein. Abgesehen davon daß sie es selbst nicht so genau wußte. Nanako lebte seit sie hier war einfach in den Tag hinein, hatte keinerlei Verpflichtungen mehr und ihr Zeitgefühl war ohne hin nie das beste gewesen.
"Keine Ahnung, Donnerstag glaub ich. November, 23. oder so."
gab sie unwillig Auskunft, hätte aber nicht beschwören wollen, daß stimmte was sie sagte.
"Canada. Wo sonst?"
fügte sie auf seine weitere Frage an, als wäre er nicht ganz gescheit. Er streunte hier durch die Gegend, fand zielsicher ihr Haus, aber hatte keine Ahnung wo er war oder wie? Was immer er genommen hatte... weniger davon würde ihm sicher gut tun.
"Was für n Stützpunkt?"
fauchte sie schließlich als sein Verhör weiter ging und tastete sich, ohne ihn aus den Augen zu lassen zu ihrem Sofa vor, von dem sie sich nie die Mühe machte es zusammen zu klappen oder die Bettdecken darauf zu ordnen.
"Ist dir nicht aufgefallen, daß wir hier mitten im Nirgendwo sind und sich in ziemlich weitem Umkreis absolut gar nichts befindet?"
Da war er wieder - der Idiotenunterton. Und ja, sie hielt ihn auch für entweder dumm, oder verwirrt, vor allem aber für gefährlich. Wahrscheinlich war es nicht sonderlich klug so mit ihm zu sprechen, aber Nanako fand scheinbar zu sich selbst zurück, als sie auf ihrem Sofa Platz nahm, ein Bein unterschlug um sich darauf zu setzen und Logan weiter böse anfunkelte. Woher zur Hölle sollte sie etwas von Stützpunkten, von Army oder davon wissen, was mit dem Mann da vor ihr geschehen war. In der Vermutung daß ihre Erklärung ihm nicht reichen würde, musterte sie ihn abschätzend - scheinbar fühlte er sich inzwischen schon ganz wie zu Hause und bemerkte als seine Jacke auf dem Sofa landete, spitz;
"Machs dir ruhig bequem, dann können wir uns in Ruhe kennelernen und du mir vielleicht erklären, was du in meinem Haus verloren hast. Denn falls es dir nicht aufgefallen ist - das hier ist weder ein Stützpunkt, noch irgend eine Auffang- Station für irregeleitete Soldaten ."
Und ganz allmählich wurde es ihr auch wirklich zu dumm. Sah sie vielleicht aus wie jemand, der etwas über Stüztpunkte wußte, der in diesen hässlichen grünen Armyklamotten herum lief oder Freude daran hatte durch den Schlamm zu robben?

23. November, was? Welches beschissene Jahr … Logan hatte ihr zwar zunächst zugehört und wirklich weiterhin den Abstand gehalten, auch als sie sich langsam durch den Raum bewegte, um sich zu setzen, was ihr vermutlich ein größeres Sicherheitsgefühl gab.
War seinetwegen ok. Auch wenn's illusorisch war.
Versuch' nicht, mich zu verarschen, das haben vor'n paar Tagen schon andere bereut.
'Das kein verfickter Army-Jeep vor deiner Tür, huh?
Immerhin Kanada klang richtig und fühlte sich auch richtig an. Irgendwas hatte er mit Kanada zu tun, vermutlich sein Heimatland. Sonst würde ihm die Kälte vielleicht mehr ausmachen. Andererseits, warum sollte Kälte einem etwas ausmachen, wenn man locker damit klar kam, dass einem Elektroden sonst wo hin gesteckt wurden und das Kreaturen mit steinharter Haut und Rasiermesser scharfen Haaren und Härchen auf einen gehetzt wurden.
Gab's überhaupt 'n anderes Land als Kanada, in dem sowas möglich war?
Die Frage nahm leider ein noch beunruhigenderes Ausmaß an … was gab es überhaupt für Länder?
'Wunder, dass er noch sprechen konnte, bei den Lücken, die er hatte. Vielleicht sollte er den Jungs und Mädels von William Stryker dankbar dafür sein … naja, bisschen zu spät, ihnen deswegen ne Karte zu schicken.
'Ist dein Haus, stimmt. Schätze ich benehme mich besser wie ein Gast.
Mit einem SNIKT-Sound fuhr Logan seine Krallen wieder aus, wirbelte herum und schlug mit vollster ihm möglicher Wucht gegen die steinerne Einfassung des Kamins, gegen die zuvor bereits das Schwert geprallt war. Doch statt abzuprallen wie es wohl zu erwarten wäre, schnitten die Klingen durch den Stein und lösten erst bevor sie wieder austraten ein paar kleine Steinbröcken und Putz, die mit einer staubigen Wolke ins Kaminfeuer rieselten.
Sorry, knurrte Logan mit deutlicher Ironie, sah Nanako aber nicht einmal an, weil er kurzzeitig fasziniert von den sauber in den Stein geschnittenen Kerben war.
Wer auch immer die Dinger geschliffen hatte, musste ein Genie gewesen sein. Erinnerungen hatte er natürlich auch daran keine.
Okay, aber darum ging es hier gerade nicht.
Falls es dich interessiert, das fühlt sich nicht so cool an wie's aussieht. Willst du's echt drauf ankommen lassen?
Logan sah sich nach etwas weiterem um, das er zerstören konnte ohne das Mädchen selbst zu verletzen. Warum eigentlich? Hatte er vorhin nicht deutlich genug gesagt, dass er sie in Scheiben schneiden würde, wenn sie nicht … redete? Hatte er draußen nicht klar gewusst, dass er sie so oder so töten würde?
Gab es irgendeinen plausiblen Grund, sich von ihr ansprechen zu lassen als wäre er ein Vollidiot?
Während er das noch überlegte, fiel sein Blick auf das Klavier und den Altar … wieder musterte er Nanako.
Das der kleine Altar mit den Räucherstäbchen zu ihr gehörte, machte Sinn. Das Klavier konnte allerdings genauso gut zu dem Elchkopf gehören, der wohl definitiv nicht ihrem Geschmack entsprechen konnte. Oder? Letztlich konnte er es nicht wissen. Er wusste gar nichts.
Was wenn sie wirklich nur irgend jemand war, der zur falschen Zeit aus einem dummen Grund am falschen Ort war? Vielleicht gab es eine Erklärung für den Jeep und vielleicht war er nicht 80 sondern 180 Kilometer gelaufen und Stryker konnte nicht das gesamte land räumen lassen, wegen eines beschissenen Experimentes.
Vielleicht war er paranoid?

Verarschen? Was zum...? Heute war doch der 23. oder nicht? Selbst wenn nicht, angeblich wußte er das ja nicht... Nanako konnte ihm nicht ganz folgen und sie hatte keine Ahnung, was ihr eigentlich vorgeworfen wurde, oder warum. Armyjeep? Ja sicher war das ein bis vor kurzem sogar noch fahrtüchtiger Armyjeep vor ihrer Haustür, wieso auch nicht, was war denn sein scheiss Problem damit?
"1969!"
stieß sie eilig hervor, damit er ihr Zeit zum denken ließ. Irgendwie mußte sie dahinter kommen, was er eigentlich hier und vor allem was er von ihr wollte. Es gelang ihr nur nicht recht mit dem was er von sich gab etwas an zufangen. Vielleicht war ihr erster Gedanke doch gar nicht so falsch gewesen. Ein fehlgeschlagenes Experiment der Army, vielleicht hatte er sich auch in Vietnam irgendeine Störung eingefangen und sie mußte das jetzt ausbaden oder sonst was.
"Sicher ist das ein Army-Jeep, aber was.....?"
setzte sie nach, in dem offensichtlichen Bemühen ihn irgendwie zu beschäftigen, kam aber nicht sonderlich weit, weil er sich inzwischen schon an ihrem Kamin vergriff. Wenn das so weiter ging hatte sie bald kein intaktes Haus mehr und konnte draussen schlafen. Vielleicht wußte er ja etwas über survival in der Wildnis, Nanako jedenfalls verspürte keine große Lust, bei den Temperaturen im Schnee herum zu stapfen - übrigens auch ein Grund, warum sie nicht einfach zur Tür spurtete und weg lief. Hier war weit und breit gar nichts ausser Wildnis und sie mit einem dünnen Kleid und einer Strickjacke, dafür aber ohne Schuhe versehen. Keine besonders günstigen Vorraussetzungen.
Ganz automatisch hob sie die Arme vors Gesicht um sich vor eventuell herum fliegenden Splittern zu schützen und nahm sie nur langsam wieder herunter um ihn vorsichtig zu beäugen. Im Grunde war es gut wenn er ihre Einrichtung zerstörte und nicht sie. Und so lange er reden wollte hatte sie wohl nicht wirklich etwas zu befürchten. Blieb zu hoffen, daß sich das nicht plötzlich änderte. Seinem Blick folgend verließ das bißchen Farbe das inzwischen auf ihre Wangen zurück gekehrt war schlagartig wieder ihr Gesicht und sie sprang wie von der Terantel gestochen auf, hetzte durch den Raum, wobei sie sehr geschickt herum liegenden Kleinteilen auswich und baute sich schützend vor ihrem Klavier auf. Ganz so, als wolle sie ihr Kind beschützen und offensichtlich hatte das Musikinstrument eine ähnliche Bedeutung für sie.
"Nein... oh nein ! Das tust du nicht!"
fuhr sie ihn an, streckte eine Hand in seine Richtung aus, ganz so, als wolle sie einen wild gewordenen Hund beruhigen und fügte, darum bemüht ruhig und vernünftig zu klingen, hinzu;
"Du willst reden, ok, reden wir. Mein Name ist Ishiyama, Nanako. Das hier ist mein Haus, das da draussen ist mein Jeep und ich habe ihn von meinem Vater, deshalb ist es ein Army Fahrzeug. Wir haben 1969, es ist November und wir sind in Kanada. Ich hab keine Ahnung wer du bist und was du hier willst, aber ich werde dir sagen was du sonst noch wissen willst, ok?
Aber lass die Finger.. Krallen... bleib von meinem scheiss Klavier weg, verdammt!"
Die letzten Worte schrie sie so laut, daß draussen wahrscheinlich die ein oder andere Eule von ihrm Ast fiel und ihre Brust hob und senkte sich hektisch. Warum mußte ihr so etwas passieren und womit hatte sie verdient, daß irgendein Irrer ihr Haus demolierte und nicht mal wußte, in welchem Jahr sie sich befanden.
"Nicht- mein- Klavier."
wiederholte sie noch einmal überdeutlich jedes einzelne Wort betonend und fügte weitaus kleinlauter und bittend hinzu;
"Ok?"
Den Kopf leicht schief gelegt betrachtete sie Logan abwartend und hoffte ehrlich, irgendwie mit ihm verhandeln zu können - so lange er nur nicht ihr Klavier zerstörte.

Das gab es ja wohl nicht.
Als sie aufsprang, glaubte Logan für Sekundenbruchteile, sie würde versuchen, nach draußen zu kommen. Barfuß und in ihrem Aufzug, aber was sie dann tatsächlich tat, war noch dümmer.
Wirklich verblüfft sah er zu, wie sie sich vor dem bescheuerten Instrument aufbaute und ihm abwehrend einen ihrer zierlichen Arme entgegen streckte. Faktisch hatte er augenblicklich die Assoziation, ihre Hand vom Gelenk zu trennen, aber statt dessen starrte er sie nur an und konnte nicht umhin zu denken, dass ihre Aufregung etwas niedliches an sich hatte.
Musste ihr ja extrem wichtig sein, wichtiger als ihr Leben oder was?
Er sah von Nanako zum Klavier und wieder zu ihr, als sie ihren Namen nannte und tatsächlich eine plausible Erklärung für das Armyfahrzeug hatte.
Oder relativ plausibel. Möglicherweise genau das, was er gerade hören wollte, schoss es durch seinen Kopf und dann war da noch ein Gedanke, völlig unabhängig vom dem, was das Mädchen sagte: Er war sich ziemlich sicher, dass er auf diesem Klavier sogar spielen konnte. Ungebeten, aber äußerst aufdringlich, war da mit einem mal eine Melodie, an die er sich so glasklar erinnerte als hätte er sie vor drei Minuten noch gespielt.
Komplett verunsichert, machte er einen Schritt rückwärts und sah sich im Raum um, ob sich mit der Erinnerung an dieses Scheißmusikstück irgendetwas verändert hatte. Genauso funktionierte Gehirnwäsche, oder etwa nicht? Man gaukelte irgendeine total irreale Situation vor, aus dieser Situation heraus, zeigte das … Subjekt … Versuchsobjekt … Subjekt X … Waffe X … was in seinem Innern vor sich ging und dann konnte man die Gedanken auslöschen.
Er war immer noch in diesem Labor. Er würde da nie herauskommen. Nicht solange er nicht tat, was sie wollten. Kämpfen, töten … egal, wen oder was sie ihm vor die Klingen warfen.
Seine Augen hatten einen glasigen Schimmer bekommen, das Gesicht war verzerrt, die Hände unter den weiterhin ausgefahrenen Klauen, waren so fest zu Fäusten geballt, dass seine eigenen Fingernägel in das Fleisch seiner Handballen schnitten.
Waren da irgendwo Drähte? Wenn ja, spürte er sie nicht. Der Geruch von Metall, vielleicht? Ja, das seiner Klauen. Irgendwo Stimmen? In einem unsichtbaren Nachbarraum? Oder hinter einer dieser Plastikglasirgendwasscheiben?
Logan hatte sich der Treppe zugewandt, die nach oben führte. Mit leerem Blick sah er auf die Stufen. Waren sie vielleicht dort? Oder würde, falls er dort hinaufging, nur eine weitere Kammer in seinen Gedanken geöffnet werden? Weil es weder ein Haus, noch eine Treppe darin, noch dieses Mädchen gab.
Beherrsch' dich, krieg' dich ein, denk an irgendetwas, wovon du weißt, dass es garantiert nur aus dir selbst kommen kann. Da war sie wieder, die Melodie. Sein verdammtes Gehirn, musste sich wohl im Kreis drehen. Wieder da angekommen, wo er begonnen hatte, zu zweifeln. Perfekt.
Der Schmerz! Der war hundert pro real. Darauf musste er fokussieren. Wenn der Schmerz da war, dann war auch Nanako, das Klavier und der ganze Rest real.
Langsam gewann sein Blick wieder an Ausdruck. Die verkrampfte Haltung, löste sich, die Klingen sprangen zurück in seine Unterarme und hinterließen blutige Risse, an den Stellen, wo sie zuvor ausgetreten waren. Natürlich schlossen diese sich fast im selben Moment.
Er hatte wohl immer noch kein Wort gesagt, auf ihren kleinen Ausbruch hin, huh?
Okay, bestätigte er leise. Ist ein Deal, Ishiyama Nanako.
Ist hier irgendwas in der Nähe, 'ne Siedlung oder 'ne Stadt? Oder … sagt dir Alkali-Lake irgendwas?
Oder noch besser …
Hast du ne Landkarte?
Er war zwar merkwürdigerweise sehr gut darin, den Sternenhimmel zu lesen, aber das verriet wenig über seinen genauen Standort, vor allem nicht bei diesem Wetter.
Und vielleicht … keine Ahnung, ne Zeitung oder sowas?

"Ok, Deal...."
wiederholte Nanako ein wenig zweifelnd und schien nicht recht zu wissen, wie es jetzt weiter gehen sollte. Scheinbar hatten sie grade so etwas wie einen Waffenstillstand vereinbart und Logan schien wieder ansprechbar. Einen Moment lang fragte sie sich was wohl in seinem Kopf vorgegangen war. Sekundenlang hatte sie den Eindruck gehabt, er habe sie völlig vergessen und sei mit seinen eigenen Gedanken so sehr beschäftigt gewesen wäre, daß ihm wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen wäre, wenn sie zur Tür hinaus gestürzt wäre. Sie ärgerte sich diesen Moment nicht genutzt zu haben und war gleichzeitig froh darüber. Wer konnte schon sagen, was er ihr antun konnte, wenn er ihren Kamin schon problemlos derart zurichtete. Inzwischen durchaus neugierig musterte sie den fremden Mann wobei ihr Blick natürlich an seinen Händen hingen blieb. Was waren das für seltsame Krallen und wie zur Hölle konnte seine Haut derart schnell verheilen. Einen Moment lang war sie versucht ihn dannach zu fragen, entschied sich aber schließlich doch dagegen. Die Dinger machten ihr Angst und je weniger sie darüber wußte, desto besser war es wahrscheinlich. Ausserdem hatte sie kein Lust darauf, daß er weitere unangenehme Fragen stellte und das würde er wohl höchstwahrscheinlich tun, sollte sie damit beginnen. Bei seiner offensichtlichen Abneigung gegen die Army erklärte sie ihm am besten nicht all zu genau was ihr Vater dort tat.... beziehungsweise was sie vermutet daß ihr alter Herr seine Finger in irgend etwas drin hatte, das wahrscheinlich weder legal noch moralisch vertretbar war.
"Setz dich."
wies sie ihn schließlich etwas unwillig an und fügte an;
"Ich werde Tee kochen und versuchst in der Zwischenzeit nicht noch etwas kaputt zu machen."
Ihren Ärger über seine Zerstörungswut konnte sie trotz aller Angst und Verwirrung die die ganze Situation mit sich brachte nicht verbergen und versuchte es auch gar nicht erst. Nur zögernd löste sie sich von ihrem geliebten Klavier und trat den Rückzug zur Küchenzeile an- natürlich nicht ohne Logan dabei genau im Auge zu behalten. Der Wasserhahn rauschte kurz, als sie einen Teekessel befüllte und diesen auf dem Herd platzierte und den fremden Mann nur für einen Sekundenbruchteil unbeobachtet ließ, um nach einem Geschirrhandtuch zu suchen, welches sie befeuchtete und in seine Richtung warf.
"Du hast da Blut."
setze sie erklärend nach, wobei sie es allerdings sehr gut schaffte, keines Falls besorgt um seine Gesundheit zu klingen. Viel eher wollte sie keine Flecken auf dem Boden oder ihrem Sofa. Es reichte, daß ihr Auto unbrauchbar und ihr Kamin sichtbar beschädigt waren.
Auf seine Frage nach Landkarte und Zeitung runzelte sie kurz die Stirn und schien sich selbst erst ein wenig orientieren zu müssen, ehe sie in Richtung des überfüllten Bücherregals nickte.
"Schau mal da drin nach, vielleicht liegt da ne Karte oder so was. Ich hab das Haus mit allem was darin war übernommen. Keine Ahnung. Zeitung liegt vorm Kamin... der Sportteil dürfte noch da sein, den Rest hab ich zum verfeuert. Ist aber gute vier Tage alt, falls du auf irgendwas gewettet hast."
Mit den Achseln zuckend machte sie klar, daß sie sich selbst noch nicht die Mühe gemacht hatte alles durch zusehen und einfach nur ihre eigenen Sachen zu denen dazu gestellt hatte, die sich bereits hier befanden.
"Der nächste Ort ist gute 30 Meilen von hier. Und da du ja mein Auto so pfleglich behandelt hast, wirst du wohl laufen müssen."
Womit dann auch der Punkt geklärt war, daß sie keineswegs bereit war, ihn hier zu beherbergen oder etwas in der Richtung. Blieb zu hoffen, daß das auch bei ihm angekommen war. In erneutes Schweigen verfallend musterte sie ihn ganz offensichtlich von oben bis unten und versuchte ihn in irgend eine passende Schublade zu stecken. Der Versucht scheiterte kläglich und sie mußte sich eingestehen daß sie nicht die leiseste Ahnung hatte mit wem oder was sie es hier zu tun hatte.
"Was is`n mit dir passiert?"
fragte sie schließlich doch, obwohl sie genau das eigentlich nicht gewollte hatte und versuchte möglichst uninteressiert zu klingen. Aber scheisse, wenn urplötzlich ein paranoider Kerl mit Klauen in den Unterarmen in deinem Wohnzimmer stand und drohte nicht nur deine Einrichtung, sondern dich gleich dazu in Scheiben zu schneiden, durfte man ja wohl doch nach einer Erklärung fragen.

Natürlich setzte er sich nicht.
Logan blieb haargenau am selben Fleck stehen. Er drehte sich lediglich etwas, um Nanako genauso im Auge zu behalten, wie sie ihn nicht aus den Augen ließ. Es war kein Zweifel, dass sie wirklich Tee kochen wollte. Nur kam ihm das noch absurder vor als die Verteidigung des Klaviers. Was für Menschen taten so etwas? Tee kochen ...
Er fasste sich an die Stirn, die sich anfühlte als müsste sie glühen. Kein Wunder, sein Körper kämpfte offenbar gegen sich selbst. Draußen in der eisigen Wildnis, hatte es sogar einen Vorteil gehabt, doch hier drinnen, machte es ihn schwerer als er tatsächlich war und die Aufforderung, Platz zu nehmen, hatte einen verlockenden Klang. Es kam trotzdem nicht in Frage.
Es sich hier gemütlich zu machen, war schließlich nicht der Plan gewesen. Der verdammte Plan war, Antworten zu bekommen.
Kurz bevor seine Gedanken wieder in irgendeine Richtung abdriften konnten, fing er das Handtuch auf und besah es als könnte es sich in seinen Händen in Luft auflösen. Es roch verdammt gut und es fühlte sich weich an. Anstelle seiner Hände, vergrub er das Gesicht darin. Dadurch bekam seine Stimme einen dumpfen Klang: Ich hab' überall Blut. Kommt's nicht drauf an ...
Die Sorge um ihr Sofa filterte er zwar aus ihren Worten heraus, aber dass ihn ihre Möbel nen Scheiß interessierten, sollte sie mittlerweile gemerkt haben.
Zögerlich nahm er das Geschirrhandtuch wieder vom Gesicht. Die Feuchtigkeit hatte sich mit Schweiß gemischt und es roch nun eher nach ihm als nach Nanako und dem Haus, in dem sie sich befanden. Er behielt es in der linken Hand als er die paar Schritte zum Bücherregal machte.
Von wem übernommen? Knurrte er, schon wieder misstrauischer als nötig.
Seit wann bist du hier?
Er sah sie nun nicht mehr an, sondern las die Titel der Bücher. Der Großteil waren Romane deren Titel ihm nichts sagten, dazwischen fanden sich jedoch ein paar Bände einer Lexikonreihe, Bücher über die Jagd und ein Essay zur modernen Kriegsführung von irgend wem namens Trask.
Logan blieb an diesem Namen hängen, fast sicher ihn vor nicht allzu langer Zeit mehrfach gehört zu haben. Er tippte auf einen der Offiziere neben Stryker. Damit lag er zwar ziemlich falsch, weil die Zusammenarbeit der beiden wesentlich länger zurück lag, aber es war eines von vielen Irrtümern ohne Auswirkung. Nanakos Ausführungen über die Tageszeitung, entlockten ihm zum ersten Mal seit er hier aufgekreuzt war, ein gut gemeintes Schmunzeln. Schade nur, dass sie es wohl nicht sehen konnte, weil er dabei die Nase im Bücherregal hatte.
Schließlich entdeckte er eine Landkarte und zog sie gemeinsam mit Trasks Essay und dem Stapel Lexika aus dem Regal.
Alles zusammen trug er nebst Handtuch zum Tisch vor dem Sofa und legte es dort ab.
30 Meilen wären kein Problem. Schaffe ich an einem Tag, aber ich will da gar nicht hin.
Lieber wäre mir, wenn hier gar nichts wär'.
Mit einem Griff war die Karte über allem anderen ausgebreitet und deckte den gesamten Tisch ab.
Einmal mehr fassungslos über sich selbst, starrte Logan auf die Unzahl von Ortsnamen, die darauf zu lesen waren. Keiner brachte ne Glocke zum läuten.
Scheiße, brummte er und zog wieder das Handtuch unter der Karte hervor. Diesmal wischte er sich wirklich das Blut von den Handrücken, warf Nanako das Handtuch wieder zu und strich die Karte hochkonzentriert mit beiden Händen glatt. Vertrauter wurde sie davon allerdings nicht.
Ich bin der, der die Fragen stellt, antwortete er mit leichtem Zeitverzug. Seine Stimme war dabei frei von Aggression.
Ist besser für dich, schätze ich.

Ja, ok, vielleicht war Tee kochen wirklich ein etwas seltsames Verhalten, aber Nanako gab es ein wenig Sicherheit, eben weil es eine so "normale" Tätigkeit in einer so absurden Situation war. Wahrscheinlich beschäftigte sie sich auch deshalb weitaus länger damit, als eigenltich nötig gewesen wäre. Aus den Augenwinkeln heraus, beobachtete sie jede von Logans Bewegungen und konnte sich nicht entscheiden, ob der Typ total irre, furchtbar bemitleidenswert oder einfach nur ein Arschloch war. Scheinbar war er körperlich ein wenig angeschlagen. Von seinem geistigen Zustand einmal ganz zuschweigen.... Aber kein Wunder, wer bei den Temperaturen draussen herum lief, konnte ja kaum anders als sich eine Lungenentzündung einfangen. Nanako wollte sich grade für Mitleid entscheiden, als er es mit nur einem Satz ruinierte. Kam nicht drauf an. Nein, wieso auch, war ja nur ihr Haus... Also doch Arschloch. Die Lippen zusammen pressend, damit ihr keine dumme Bemerkung heraus rutschte, knallte sie den inzwischen pfeiffenden Ketessel zurück auf den Herd, als wäre er höchstpersönlich an ihrem Unglück Schuld und gab sich erneut keine Mühe, ihre Verstimmung zu verbergen. War ja vielleicht auch ein bißchen viel verlangt, sich derart auf zuführen und dann noch mit offenen Armen empfangen zu werden. Aber scheinbar hatte sich ihr Gast ja inzwischen so weit gefangen, oder war abgelenkt genug, um nicht noch mehr ihrer Einrichtung zu demolieren. Wie erfreulich.
"Keine Ahnung, mein Vater hat`s für mich gekauft."
erwiederte sie achselzuckend auf die Frage, wer hier vorher gewohnt hatte. Ganz sicher würde sie ihm nicht auf die Nase binden, daß man sie mehr oder weniger ins Exil verbannt hatte- das ging dann doch ein bißchen zu weit.
"Vielleicht von nem Jäger oder so. Ist noch nicht lange her, 5 oder 6 Wochen vielleicht."
fügte sie ergänzend hinzu, wobei sie den Elchkopf beinahe nachdenklich betrachtete, so als könnte er weitere Auskunft geben und Logans Misstrauen gekonnt völlig ignorierte. Seit wann mußte man sich denn bitte dafür rechtfertigen an einem bestimmten Ort zu wohnen? Offenbar mußte sie wohl doch und noch bevor sie sich ermahnen konnte ihn nicht zu reizen, fauchte sie zurück:
"Das freut mich sehr für dich, ehrlich. Unglücklicherweise sind 30 Meilen selbst im Hochsommer für mich durchaus ein Problem. Und ich würde gerne in den Ort fahren, damit ich hier nicht verhungern muß. Aber du mußtest ja mein Auto aufschlitzen! Was zur Hölle ist nicht richtig mit dir, verdammt? "
Wahrscheinlich eine ganze Menge nicht. Immerhin war er gut zu Fuß. Wie erfreulich zu hören. Mehr aus Reflex, als weil sie es wirklich kommen sah, fing Nanako das Handtuch und hielt es mit spitzen Fingern von sich. Mochte ja sein, daß den Herren dort Blut und Dreck nicht weiter störten, sie aber sehr wohl. Eben so wie es sie störte, wenn man ihr Eigentum beschädigte, sie bedrohte und ausquetschte. Und ihr dann keine Antworten gab. War ja irgendwie klar gewesen. Ich breche in dein Haus ein, drohe dir dich auf zuschneiden, aber sag dir nicht warum. Der Typ war echt irre. Womit aber immer noch die Frage offen war, warum er sich so verrückt aufführte.
"Besser für mich?"
echote die junge Frau, nicht mehr ganz so gereizt aber um so resignierter.
"Du tauchst hier auf, kappst meine einzige Verbindung zur Aussenwelt, ruinierst meinen Kamin, schreist mich an, willst mich umbringen und bist ganz offensichtlich irgendwo ausgebrochen. Wieviel schlimmer kanns denn deiner Meinung nach für mich noch werden?"
Zumindest nach Nanakos Verständnis war da nur schwer noch eine Steigerung raus zuholen und sie mußte zugeben, daß sie ganz einfach neugierig war. Abgesehen davon, daß für den Fall daß es doch noch schlimmer würde, sie gern gewußt hätte, warum. Wie recht sie mit "irgendwo ausgebrochen" wirklich hatte, ahnte sie nicht einmal. Und es war auch mehr eine Formulierung die andeuten sollte; aus dem Zirkus. Oder sonst wo.
Einen Moment lang verfiel sie in Schweigen, hantierte in der Küche herum und balancierte schließlich ein Tablett mit Teekanne und Tassen zum Tisch. Ungeachtet der Tatsache, daß Logan grad die Karte anstarrte, platzierte sie alles genau auf dem Punkt, den er grade betrachtete und baute sich ihm gegenüber auf.
"Wenn du mir sagen würdest, wonach du suchst, oder was du wissen willst, wäre es weitaus einfacher, dir zu sagen was du hören willst."
erklärte sie nicht unfreundlich und mit einem fast zufriedenen Gesichtsausdruck, weil sie relativ sicher war, daß er sie so nicht länger ignorieren oder abspeisen konnte. Es sei denn, er verfuhr mit dem Tablett wie mit ihrem Kamin....Aber scheinbar war er ja durchaus in der Lage, sich zu artikulieren ohne dabei etwas zu zerstören. Ein sehr tröstlicher Gedanke, auch wenn Nanako alles andere als sicher war, daß dieser Zustand anhalten würde. Trotzdem gelang es ihr nicht wirklich, sich in ihre Opferrolle zu fügen und einfach schweigend still zuhalten,wärend er sich hier aufführte, als wäre es sein Haus. Ja, wahrscheinlich war es klüger ihn nicht zu reizen und vielleicht würde er wirklich einfach gehen, wenn sie ihm alles gesagt hatte, was er wissen wollte, aber ganz so einfach funktionierte das für sie nicht. Vielleicht war sie ihrem Vater ja manchmal doch ähnlicher als gedacht und es mußte nach ihrem Kopf gehen und sie mußte das letzte Wort haben. Ganz sicher aber kam nach ,- oder aufgeben nicht in ihrem Wortschatz vor. Ob das nun mutig oder einfach dumm war, lag wohl im Auge des Betrachters.

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