cf: Gefängnistrakt, eine Woche später

Logan war egal, was mit ihm passierte.
Er reagierte weder als man ihn, an eine weitere dieser Bahren fixiert, durch das Areal fuhr, noch als man ihn irgendwo von der Halterung löste und vornüber von der Bahre kippte. Er hatte die Augen die gesamte Zeit geschlossen und öffnete sie auch jetzt nicht. Vielmehr blieb er haargenau so liegen, wie er aufgeschlagen war.
Der Boden fühlte sich nach Metall an und roch auch danach. Logans Phantasie reichte aus, um zu wissen, dass auch die Wände aus irgendeinem Metall sein würden und in irgendeiner Ecke, an die er eh nicht herankam, ein Beobachtungsfenster sein würde.
Es war der 127. derartige Raum, vielleicht auch nur der dritte, aber was spielte es für eine Rolle?
Es lief immer gleich. Die wollten, dass er kämpfte und setzten ihm irgendwelche scharf gemachten Viecher vor. Und er tat es nicht. Sollten sie ihn doch zerfleischen, kein Riss, kein Biss, kein Furz konnte die Schmerzen übertreffen, die sich durch seinen gesamten Körper zogen. Das beste was passieren konnte, war dass er doch überraschenderweise daran starb. Das wäre doch ne tolle Pointe... für welche Geschichte auch immer.
Aber jede Wunde, bis auf die innere, verheilte zuverlässig. Da war nichts zu machen, also war das einzige, was ihm blieb, sich weiter zu verweigern und auf den Moment zu warten, wo die nen Fehler machten. Ein beruhigender Gedanke sagte ihm, dass Zeit manchmal ein guter Verbündeter war.

Waffe X reagiert nicht, hörte Logan einen Mann ins Funkgerät sagen, während dieser mit seinen Begleitern dabei war, den Raum zu verlassen. Genauso wie die anderen Male. Wenn sie mich fragen, dann können wir genauso gut an dieser Stelle abbrechen. Vielleicht kann er sich gar nicht bewegen … die Scans haben zwar keine Fehler gezeigt, aber falls Nervenenden beschädigt sind … oder das Gehirn nach der Behandlung nicht mehr richtig arbeitet … Kawumm, schloss sich eine Tür dumpf und Logan war allein.
Sehr gedämpft hörte er von draußen oder irgendeinem Korridor noch den Rest des Satzes: … wäre es unsere Schuld, also sollten wir uns das lieber noch einmal genauer ansehen.

In wie weit Logan stand, lag wohl im Auge des Betrachters. Aus seiner Perspektive lag er noch immer, mit zusammengebissenen Zähnen darauf bedacht, was auch immer auf ihn zukam, nicht zu beachten.
Er hörte die Geräusche und das Kreischen natürlich weit bevor die Tür aufging und das stachelbewährte Wesen auf ihn zu stürmte. Er hatte keinerlei Erinnerungen an seinen Aufenthalt im Zellentrakt. Somit war auch Penance Erscheinung für ihn neu. So gut es ohne sichtbare Bewegungen ging, versuchte er sie zu mustern und die tatsächliche Gefahr für sich selbst abzuschätzen. Doch bei dem rasenden Tempo, mit dem sie sich näherte, bleib ihm kaum Zeit, bevor er von der Wucht des Angriffs herumgerissen wurde und ihre scharfen Klauen seine Brust aufrissen.
Der Schmerz vermischte sich mit dem permanenten Stechen in seinem Körper und war im Verhältnis nur von kurzer Dauer, denn die Wunde schloss sich mit der vertrauten Selbstverständlichkeit mit der sich bereits die Wunden nach den Angriffen der Wölfe und Bären geschlossen hatten, die man vorherigen Tests auf ihn gehetzt hatte.
Logan spürte darüber hinaus, wie er in Rückenlage ein gutes Stück über den Boden der Arena schlitterte. Arena … wiederholte er noch abfällig den eigenen Gedanken.
Diese Wichser!

Endlich kam er wieder still zum Liegen. Die lauten Brüllgeräusche, die Penance ausstieß beeinträchtigten jedoch seinen Orientierungssinn so stark, dass er eine Kopfbewegung brauchte, um zu wissen wie weit sie nun wieder von ihm entfernt war.
Nicht weit genug. Er versuchte ihre Augen zu taxieren und sah den Rausch darin.
Davon abgesehen, sah er jedoch auch das Jugendliche in ihrer monströsen Gestalt. Mit einem unhörbaren Ausatmen, schloss er die Augen und erwartete den nächsten Angriff.
Vielleicht war das Vieh wild genug, ihm den Kopf abzureißen. Unbezahlbar, sich die Gesichter der Zuschauer vorzustellen, falls sowas passierte. Und gleichzeitig ein Gedanke, der eine gewisse Ruhe mit sich brachte.

Die Augen weiterhin geschlossen, lauschte Logan auf die Geräusche. Auf das Knurren der Kreatur, das Schaben und Quietschen, das ihre Klauen auf dem Boden verursachten und schließlich den Moment als sie absprang und sich in die Wand krallte.
Von dem unerwarteten Manöver überrascht, riss Logan die Augen auf und starrte direkt zu ihr. Versuchte sie durch die spiegelnde Metallwand zu den Zuschauern durchzudringen? Wusste sie, wo die waren? Vielleicht waren ihre sinne in dem Punkt stärker als seine. Bei einem Wesen, das auf allen Vieren ging statt auf zwei Beinen nicht auszuschließen.Von null auf 180 sprang sein Selbsterhaltungstrieb an, nur richtete der sich nicht gegen das stachelige Etwas, sondern gegen den wirklichen Feind.
Zusammen konnten sie vielleicht schaffen, die Scheißwand zu durchbrechen und die Typen dahinter in Stücke zu reißen. Vielleicht war alles, was sie dafür brauchte, ein bisschen Anleitung.
Der bis eben noch paralysierende Schmerz in seinen Knochen, trat komplett in den Hintergrund. Als hätte einer einen Hebel umgelegt, visierte Logan die Stelle an der Wand an und wäre um ein Haar auf den Beinen gewesen, hätte er nicht realisiert, dass sein tierhafter Angreifer keineswegs auf die Wand konzentriert war, sondern einzig auf ihn und seine plötzliche Bewegung.
„Nein!“ brüllte er. Seine Stimme klang dabei kehlig und irgendwie falsch für seine eigenen Ohren. Es war das erste Wort, das er überhaupt von sich gab, seit er vor Tagen zu sich gekommen war.
Doch sie ließ ihm keine Zeit zum weiter Nachdenken. Mit ihrem vollen Gewicht landete sie auf ihm und hieb auf ihn ein. Mit jedem Schlag traf sie und die Schläge kamen so schnell hinter einander, dass die tiefen Einschnitte, die ihre Krallen hinterließen, nicht schnell genug wieder verschwinden konnten. Wäre Logans vom eigenen Blut rotverschleierter Blick nicht weiterhin auf die Wand gerichtet, an die sie sich eben noch geklammert hatte, könnte er vielleicht das blanke Metall sehen, das seinen Brustkorb schützte und letztlich verhinderte, dass ihre Krallen noch tiefer vordrangen.
Ein anderer als er wäre wohl längst bewusstlos, doch Logans Körper kannte Schmerzen wie vermutlich kaum ein anderer und wusste sehr genau ab welchem Grad der Zerstörung, Warnhinweise an den Verstand zweitrangig wurden. Der Mann, der sich vor ein paar Minuten noch gewünscht hatte, sterben zu können und dessen Lebensgeister kurz darauf von der Millisekunde, in der er eine Angriffschance gegen seine Peiniger gewittert hatte, geweckt worden waren, bäumte sich nun gegen das Gewicht über ihm auf.
Abschütteln konnte er sie nicht. Nicht in seinem Zustand. Aber er konnte etwas anderes:
Ohne dass es eine bewusste Entscheidung gewesen wäre, ballte er die Fäuste und rammte sie der tobenden Mutantin beidseitig gegen die Schläfen. Als er sie wieder zurückzog, um erneut zuzuschlagen, stießen mit einem weiteren Schwall seines Blutes, metallene Klingen aus seinen Fäusten. Weder spürte er davon etwas, noch stellte er sie in Frage. Sie waren willkommene Waffen, die ziemlich präzise den Abstand überbrückten, den Logans Fäuste durch das Zurückreißen, zu Penance Schädel gewonnen hatten.
Mit einem Schrei, der noch fremder klang als zuvor das eine Wort, stieß er zu.

Der letzte Schlag, mit dem Penance Distanz zwischen sie beide gebracht hatte, traf Logans Schulter und riss auch dort Haut und Fleisch von den Knochen, respektive von dem, was anstelle der Knochen dort war. Logan sah im Herumwirbeln ein Aufblitzen, weil sich das künstliche Deckenlicht im blanken Adamantium spiegelte.
Dem Impuls, sich die Wunde genauer anzusehen, musste er widerstehen. Die geringste Ablenkung würde reichen, damit das tobende Etwas aus Stacheln, Stein und den verzerrten Gesichtszügen eines Mädchens, eine neue Angriffschance witterte und die zweifelhafte Freude, würde er ihr nicht machen.
Ihr nicht und den Zuschauern auch nicht. Außerdem reichte es für den Moment, die eigenen Klauen vor sich zu sehen, die über seine Fäuste hinausragten und weiterhin auf Penance zielten. Sah unnatürlich aus, aber fühlte sich vertraut an.

Die magst du nicht, huh?

Das künstliche Zusatzgewicht, machte seine Bewegungen zäher und schwerfälliger als er es intuitiv erwartete. Half nichts. Er musste auf die Beine kommen, solange sein Gegner noch wartete. Und er musste angreifen, bevor sie damit fertig war, ihn zu taxieren und die Gefahr abzuschätzen.
Als wenn man nen Kerl abschätzen könnte, bei dem jede Scheißwunde wieder verheilte …

Logans von Wut und Schmerz verschleierter Blick und das Wirrwarr in seinem Kopf, reichten trotz allem nicht aus, dass er nicht mehr erkannte, wie sehr Penance und er in der gleichen Situation steckten.
Die ersten Kämpfe, denen er sich verweigert hatte, waren Tests gewesen, soviel war klar.
Hier jedoch wusste er nicht, worum es eigentlich ging. Vielleicht diesmal wirklich nicht um ihn, sondern um sie, weil man ihn wegen seines bisherigen Verhaltens aufgegeben hatte?
Vermutlich Wunschdenken. Aber irgendwas musste er sich gerade vorstellen, denn die Gedanken hielten ihn davon ab, wie eine Rakete auf die Mutantin loszugehen und weiterhin den eigentlichen Feind im Hinterkopf zu behalten.

Mit einem Satz war er auf den Füßen und stürmte mit einem Kampfschrei auf sie zu.
Er erwartete eigentlich nichts anderes als eine weitere schmerzhaften Zusammenprall, aber offenbar hatte der Schlag gegen ihre Schläfen Erfolg gehabt und so sah er die weiterhin als Penance Schwachpunkt an.
Logan hatte nicht die geringste Vorstellung davon, dass seine Klauen hart genug sein könnten, ihre Haut zu durchdringen. Hätte er das geahnt, würde er jetzt auf ihre Arme zielen, aber so war es ihr Kopf.
Damit sie ihm nicht mitten im Angriff, die Beine unter dem Körper wegschlagen konnte, sprang er nach ein paar Schritten ab. Dabei hielt er sowohl sein Ziel als auch ihre in den Boden gekrallten Klauen im Blick.
Sollte sie die schnell genug hochreißen können, konnte er immernoch die eigenen Klauen nach unten richten und zwischen sich und sie bringen.