cf: Im Flugzeug

Der Wagen hatte sie bis zu einer Querstraße ein paar Meter entfernt von der großen Bibliothek gefahren. Maya wollte kein Aufsehen erregen, indem sie sich direkt vor die Türe fahren ließ. Wahrscheinlich eine unnötige Sicherheitsvorkehrung, aber in ihrem Beruf galt ganz klar der Spruch: Lieber Vorsicht als Nachsicht.
So ging sie die letzten Meter bis zur Bibliothek zu Fuß. Schließlich kam das beeindruckende Gebäude in Sicht und Maya blickte die Fassade hinauf. Shaw's Grand Library of the People. Ja, das war sie wirklich. Im Inneren des Gebäudes sah Maya sich um. Sie war bereits einige Male hier gewesen, hatte aber noch nie die Aufgabe gehabt, eine Zielperson im Inneren ausfindig zu machen. Und so groß wie die Bibliothek war, würde es Ewigkeiten dauern, sie ziellos zu durchsuchen. Wo sollte sie also anfangen?

Maya schlenderte zur Seite zwischen zwei Reihen von Bücherregalen, wo sie unbeobachtet denken konnte. Die Zielperson war ein Doppelgänger von Eric Magnus führte eine Gruppe von nicht näher bestimmten Individuen an. Alle stammten aus einer anderen Dimension und waren laut den Quellen der White Queen in der Bibliothek, um über die Umstände in dieser Dimension zu recherchieren. Die offensichtlich erste Wahl wäre das Zeitungsarchiv, zumindest würde Maya dieses als erstes ansteuern. Sie tastete an die Innenseite ihrer Jacke, wo sich das Abzeichen befand, dass sie als ein Mitglied der Exekutive ausweisen würde. Sicherlich war auch Eric Magnus Doppelgänger von scharfem Verstand, ihn zu täuschen würde gewiss nicht leicht sein. Trotzdem hielt sie das Abzeichen erst einmal im Verborgenen. Es musste ja nicht jeder direkt sehen, womit sie ihr Geld verdiente.

Mit sicheren Schritten machte sie sich auf den Weg zum Zeitungsarchiv. Dort angekommen sah sie sich um, aber es dauerte nicht lange, da hatte sie gefunden, wen sie gesucht hatte. Kurz musste ihr Gesicht ehrliche Überraschung gezeigt haben, doch sie hatte sich sofort wieder unter Kontrolle. Ein kurzer Blick versicherte ihr, dass niemand es bemerkt hatte. Sie sah wieder auf den vermeidnlichen Herrn Magnus. Wirklich verblüffend, er sah wirklich exakt so aus wie das Oberhaupt der Exekutive. Da waren keine Unterschiede zu erkennen. Und wer war das bei ihm? Maya kramte in ihrem Hirn, aber dieses blonde Mädchen hatte sie noch nie gesehen. Ob sie wohl zu seiner Gruppe gehörte und ebenfalls über besondere Fähigkeiten verfügte? Oder war sie auch dieser Dimension und es war nur zufällig ein Gespräch entstanden? Nun, sie würde es herausfinden müssen.
Langsam setzte sie sich in Bewegung, war aber trotzdem viel zu schnell am Tisch angekommen. "Herr Magnus! Endlich, ich suche Sie schon seit Stunden.", sagte sie und blieb neben dem Tisch stehen, ein freundliches, aber auch seriöses Gesicht auf.

Magneto und Leto sassen ein paar Minuten da, vertieft in ihre jeweiligen Zeitungsstapel. Dann wandte sich das Mädchen flüsternd wieder an ihn. Ja, es stand in der Tat nirgends sehr viel Erhellendes drin, Lobhudeleien auf das Regime und den Präsidenten, Unterhaltung, Sex and Crime. Und tatsächlich war Magneto bisher noch nicht auf die Idee gekommen, nach ausländischen Zeitungen zu fragen, schlicht weil es logisch gewesen war, Informationen über dieses Land in den hiesigen Blättern zu suchen. "Guter Punkt", flüsterte er. "Warum gehst du nicht...?"

Doch bevor er ihr vorschlagen konnte, bei der Rezeptionistin danach zu fragen, tauchte plötzlich quasi aus dem Nichts eine junge Frau auf und sprach ihn an. Nun ja, einen Herr Magnus, aber es war ziemlich offensichtlich, dass er gemeint war, und dass sie ihn kannte. Erik erhob sich reflexartig und realisierte bei einem zweiten Blick auf die Frau, dass er sie auch kannte. Die junge Latina, die sie vor dem Spielsalon aufgegriffen hatten, wenige Tage vor dem Dimensionssprung. Magneto bemühte sich, sich seine Verblüffung nicht ansehen zu lassen, während er in seinem Gedächtnis nach dem Namen der jungen Frau kramte. Und damit war auch die Frage geklärt, ob er selbst hier ebenfalls über einen Doppelgänger verfügte. Nur was um alles in der Welt war seine Funktion in dieser Dimension? "Ramirez!" Er lächelte sie verbindlich an. "Seit Stunden? Was gibt es denn?" Mit etwas Glück gab ihre Antwort genug Informationen her, um diese Scharade weiterzuspielen. Wenn nicht allerdings... Er wechselte einen raschen Blick mit Leto und versuchte ihr dabei zu bedeuten, dass sie das Reden ihm überlassen sollte.

Die Idee mit den ausländischen Zeitungen war ihr hauptsächlich deswegen gekommen, weil sie schon die ganze Zeit neugierig auf das Ausland war. Aber während sie das zensierte Zeug hier gelesen hatte, in dieser Zeitung stand auch wirklich gar nichts negatives über die Regierung oder dergleichen, war ihr zudem der Gedanke gekommen, dass andere Länder vielleicht etwas schrieben. So perfekt konnte es hier nicht sein, gut, es gab die Spalte mit den Verbrechen und so was, aber das war Kinderkram. In diesem Polizeistaat wurde alles Schlechte und negative tot geschwiegen, da war sich Leto sicher und auch darüber, dass man jedem, der sich nicht den Mund verbieten ließ, gewaltsam den Mund schloss. Wenn es hier so was wie Redefreiheit geben würde, dann hätte Scott nicht so panisch reagiert und dann würden die Nachrichten in der Zeitung anders aussehen.
Rede- und Meinungsfreiheit gab es in diesem Land nicht mehr, schon traurig, wenn man bedachte, dass sich Amerika immer damit gerühmt hatte, ein so freies Land zu sein. Obwohl, halt, das hier war nicht ihr Amerika, vielleicht waren hier ja einige Dinge passiert, die dafür gesorgt hatten, dass die USA nicht dieses freie Land waren. Nicht zu letzt wohl die Wahl zu Shaw als Präsidenten.

In der Hoffnung, dass andere Länder nicht so militär und verschwiegen waren, waren ihr dann eben die anderen Länder in den Sinn gekommen. Allerdings war es fragwürdig, ob sie hier Zeitungen lagerten, die etwas gegen ihr eigenes Land schrieben. In ihrer Dimension gab es das, da wurde nicht so zensiert, aber hier schon.
Zwar fand Mr. Lehnsherr ihre Idee gut, doch Leto dachte ihre Idee weiter. Sicherlich wurde es auch zensiert, wenn ein anderes Land etwas Schlechtes schrieb. Man kam ja, außer durch die Nachrichten und die Zeitungen nicht wirklich an aktuelle Informationen über ein Land und wenn eine Regierung aus ihren eigenen Nachrichten alles raus nahm, was ihr nicht gefiel, dann zeigte sie sicher auch nicht alles von fremden Nachrichten. Aber vielleicht konnten sie ja so sehen wie groß die Macht von Amerika und somit von Shaw war.

Das Mädchen nickte leicht, als Magneto den Satz begann, sie wusste schon was er sagen wollte, ehe er ihn beenden konnte. Aber das tat er gar nicht, eine Frau kam zu den beiden und sprach den Lehrer ganz klar an, sie schien ihn zu erkennen, also drehte sich das Mädchen zu ihr. Leicht legte die Blonde den Kopf zur Seite und überlegte, ihr kam das Gesicht irgendwie bekannt vor, zu ihrer Gruppe gehörte sie nicht, aber vielleicht hatte sie eine Doppelgängerin in ihrer Dimension, Leto war sich jedoch nicht sicher. Diese Frau jedoch schien sich sehr sicher darüber zu sein, dass sie Mr. Lehnsherr kannte, sie nannte ihn allerdings Mr. Magnus. Verwechselte sie ihn, mit seinem Doppelgänger? So wie Scott Bobby und Bobby John verwechselt hatten?

Hat hier wirklich jeder einen Doppelgänger?, ging es ihr durch den Kopf und ganz kurz war sie enttäuscht, dass sie ihren nicht sehen würde. Während die Schülerin in Gedanken hing, reagierte der Lehrer souverän auf die Fremde und ging auf sie ein, Ramirez, hieß sie wirklich so? Leto hoffte es, denn sonst würden sie jetzt schon Ärger bekommen, verdammt! Zwei Mal war es schon gut gegangen, hoffentlich würde das dritte Zusammentreffen mit einem Doppelgänger nicht schief gehen.
Leicht räusperte sie sich und lächelte, “Sir..Mr Magnus, ich werde die weiteren Zeitungen suchen, besprechen wir dann später mein Problem weiter? Ich brauche wirklich Hilfe, sonst schaffe ich die Hausarbeit nie im zeitlichen Rahmen“, wieder ein Lächeln und sie stand auf um die Rezeptionistin nach ausländischen Zeitungen zu fragen, sie beschränkte sich auf Zeitungen aus englischsprachigen Ländern und Griechenland.

Hätte sie nicht jahrelanges Training genossen und schon viele solcher Missionen erledigt, so wäre ihr wohl vor Überraschung die Kinnlade auf die Brust gefallen, als der Magnus-Doppelgänger sie nach einem wirklich nur sehr kurzen Moment des Zögerns mit Ramirez ansprach. Woher kannte er sie? Er konnte unmöglich etwas in dieser Dimension über sie herausgefunden haben, schon gar nicht in einer öffentlichen Bibliothek! Also musste er sie schon vorher gekannt haben, aus der Dimension, aus der er gekommen war. Was dort wohl ihre Funktion war?
Maya bemerkte schnell, dass sie dabei war, mit den Gedanken abzudriften und riss sich zusammen. Der falsche Magnus fragte nun, was sie von ihm wollte. Ein kluger Schachzug, eine so offene Frage zu stellen und erst einmal nach Informationen zu fischen. Genau dasselbe hatte sie auch vorgehabt.
„Es gab ein Meeting, vor drei Stunden. Dabei sollten einige Entscheidungen von Ihnen bezüglich einiger Fälle getroffen werden. Nun, offensichtlich waren Sie nicht da.“ Maya lächelte trocken. Das Meeting war natürlich völlig frei erfunden und selbst wenn, so gehörte sie nicht zu denen, die direkt unter Erik Magnus arbeiteten. Es war gut, dass sie gar nicht genau wusste, womit das Oberhaupt der Initiative momentan beschäftigt war. Nicht, dass sie Angst hatte, sich zu verplappern. Das würde ihr sicherlich nicht passieren.
„Dafür gab es wohl gute Gründe...?!“ Der Satz klang wie eine respektvolle Feststellung, jedoch schwang auch der Hauch einer Frage mit, besonders als Maya ihr Augenmerk auf das blonde Mädchen richtete, das bei dem Doppelgänger war. Hier musste sie nicht so tun, als würde ihr das Mädchen bekannt sein, also musterte sie Leto ausführlich. Es gab nichts besonderes an dem Mädchen zu entdecken, das gerade in diesem Augenblick ein paar abschließende Worte murmelte und dann zur Rezeption hinüber ging.

Maya hob eine Augenbraue und ließ den Blick über die Zeitungen auf dem Tisch wandern. Dann blickte sie dem falschen Magnus in die Augen. „Bei allem Respekt, Sir: Hilfe bei einer Hausarbeit?“, fragte sie und runzelte die Stirn. Das war wirklich ein Thema, mit dem der echte Mr. Magnus sich niemals beschäftigen würde und das konnte sie diesen Doppelgänger ruhig wissen lassen, um ihn ein bisschen unter Druck zu setzen.

Die Latina zögerte beinahe unmerklich, aber Magnetos wachsamen grauen Augen entging nicht die geringste Regung. Das konnte er sich auch nicht leisten, denn um durch diese Begegnung zu kommen, ohne enttarnt zu werden, würde er all seine Fähigkeiten und Instinkte brauchen.

Er hörte ihr aufmerksam zu. Ein Meeting, Fälle, Entscheidungen. Anscheinend war er hier in irgendeiner hohen Position... "Offensichtlich", echote er und sein Ton machte klar, dass es dafür natürlich wichtige Gründe gegeben hatte, über die er ihr nicht die geringste Rechenschaft schuldig war. Er runzelte kurz die Stirn. "Nichts wirklich Wichtiges dabei, soweit ich mich erinnere, nichts das nicht noch einen Tag warten kann, auf jeden Fall." Damit liess er sich ziemlich weit auf die Äste raus, aber er spekulierte darauf, dass er eine deutlich höhere Hierarchiestufe einnahm als sie. In einer Gesellschaft wie dieser war es fast ausgeschlossen, dass eine derart junge Frau eine höhere Stellung einnehmen konnte.

Dies war der Moment, in dem Leto sich entschied, ein wenig Abstand zu gewinnen. Aber schon in der Sekunde, wo sie das Wort 'Hausarbeit' erwähnte, wusste Magneto, dass Ramirez das kaum einfach so durchgehen lassen würde. Er nickte der Schülerin nur zu und hoffte, dass sie erst mal Abstand halten würde, während er versuchte, die Lage unter Kontrolle zu bekommen.

Kaum wendete er seine Aufmerksamkeit wieder der Latina zu, sah er ihre Augenbraue hochgehen, Sekunden später kam die Frage. "Ramirez, wenn Sie wissen sollten, warum ich hier bin und was ich hier tue, wüssten Sie es." Seine Stimme klang nicht unfreundlich, aber wieder war ein autoritärer Ton drin, der klarmachte, dass er der Boss war und sie sich keine Gedanken machen sollte wegen Dingen, mit denen sie nichts zu tun hatte. "Und das war es ja wohl kaum, weshalb Sie mich so dringend gesucht haben, oder?" Er sah sie aufmerksam an. "Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?"